Einer der schönsten Momente. Zusammen mit neuen Freunden, den Sonnenuntergang genießen.
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Einsam auf Weltreise, was nun?

Weltreise. Das bedeutet immer wieder neue Länder und immer wieder neue Kontakte.
Doch stimmt das wirklich? Das stimmt und dann doch wieder nicht.
Es gab durchaus Monate ohne wirklichen Kontakt zu anderen Reisenden. Das ist einerseits der Pandemie geschuldet gewesen, wo wir uns teils auf Abstand gehalten hatten, aber auch danach hatten wir lange Zeit keine Kontakte und dann wieder enorm viele auf einmal. Wie kommt das und was macht das mit dir?

Erst einmal ist der Mensch ein soziales Wesen. Auch wenn wir als Paar nicht alleine waren, ist der Austausch mit anderen Reisenden nicht nur wichtig für neue und hilfreiche Informationen, sondern auch um die eigene Wahrnehmung und Wahrheiten zu justieren.
Oder zusammengefasst:

Das wird jeder bestätigen können, der mit offenen Augen durch die Welt läuft. Wir kennen unter Lanzeitreisenden nicht wenige Paare, die tatsächlich in eine ganz eigene Blase abtauchen und bei denen man merkt, dass es ihnen gut täte, wenn sie Kontakte hätten.
Das soll nicht heißen, wir wären komisch geworden (das würden wir selbst eh nicht merken). Was wir aber merkten, wenn auch zeitverzögert, war ein wachsendes Gefühl, der … Einsamkeit ist nicht das richtige Wort. Eher die immer gleichen Gespräche. Wenig neuen Input.
Wir haben dieses Gefühl später sogar als wichtigen Punkt für unseren Travelburnout identifiziert.

Und solche Menschen haben wir auf der ganzen Welt gefunden und mit vielen haben wir bis heute engen Kontakt. Es sind richtige Freundschaften daraus geworden, wie man sie eigentlich nur in der Schule oder im Studium findet. Im Beruf ist man dann in seinen Blasen gefangen, kommt kaum noch in Kontakt mit “ganz anderen” Menschen. Das musste selbst ich erkennen, obwohl ich extrem viel in der Stadt unternehme, mit anderen Menschen kreiere, gestalte oder einfach rede.
Auf Reisen ist plötzlich der Beruf und die Bubble egal. Die Gemeinsamkeit ist die Reise und so werden Kontakte zu Menschen möglich, die man zuvor einfach übersehen hätte. Vielleicht hätte man über den einen oder anderen nur müde gelächelt, hätte ihn oder sie in eine Schublade gesteckt und wäre weiter gegangen. Heute aber sitzt man drei Tage zusammen, kann kaum noch aufhören zu reden und es ist als ob es immer klar hätte sein müssen, dass man sich hoch interessant finden würde.
Dein Horizont erweitert sich, die Synapsen werden flexibler und bewegen sich, neue Gedanken werden möglich und auf einmal bist du vielleicht im Begriff durch die Reise verändert zu werden. Wie viel das sein wird, liegt daran, ob du dich auf ganz andere Menschen einlässt, als bisher.
Wenn plötzlich ein Bürgermeister, ein Pfleger, eine Polizistin oder eine Ärztin in deinem Freundeskreis sind, gibt es einfach neue Einsichten, als wenn du nur mit Kreativen abhängst wie bisher.

Dich vereint dieses eine: Die Neugierde und darin seid ihr dann doch wieder gleich. Die Berufe konnten nicht verhindern, dass ihr die seid, die nicht zuhause auf der Couch geblieben seid.

Das heißt aber eben auch nicht, dass du jeden sofort kennenlernen willst.
Nicht nur die eigenen Schubladen, sondern auch tatsächliche Verhaltensweisen schrecken manchmal ab oder lassen dich sehr vorsichtig sein. Der laute oder sich am Bier festklammernde Klischeedeutsche wäre vielleicht nicht der Mensch, den wir kennenlernen wollen. Und doch könnte genau dieser Mensch total überraschen. Und darum soll es ja auch gehen: Vorurteile wieder aufzusprengen und den Mut haben mit anderen zu reden.

Weißt du noch damals im Sandkasten? Es war so einfach. Ganz so einfach wird es auch auf Reisen nicht sein, aber wenn du deinem Gegenüber keine Schaufel über den Kopf ziehst und stattdessen lächelst, hast du immerhin bessere Chancen auf ein paar schöne Minuten als in Deutschland in einem Fahrstuhl, der Ubahn oder dem Wartezimmer.



Eine kurze Geschichte von Schubladen mit falscher Etikettierung

Ein ganz krasses Beispiel, dass von außen kaum zu verstehen sein könnte, erlebten wir auf Leyte auf den Philippinen. Wir waren seit Wochen ohne Touristen unterwegs gewesen. Wir hatten uns mit Booten und Linienbussen über die Insel vorangekämpft und keine Reisenden gesehen. Am Ziel angekommen, wollten wir in einem Dive-Resort eine nachhaltige Tour zu den Walhaien machen.
Als wir in den Speisesaal kommen sitzen dort nur westliche Touristen. Hauptsächlich Franzosen. Ignorieren jeden Neuankömmling, wie es westlichen Menschen so zu eigen ist.
Dieses Verhalten hat uns (wahrscheinlich nur wegen des krassen Gegensatzes beim Durchschreiten der Tür) so schockiert, dass wir uns innerlich ziemlich aufgeregt haben über die Ignoranz. Vielleicht waren wir auch ein wenig enttäuscht, über das Verhalten.
Wir beschrifteten unsere Schublade mit: “Jede Menge Leute, die keinen Kontakt zu Einheimischen haben wollen, die sich in ihren Luxusresorts einschließen und nicht mal nicken können, wenn jemand rein kommt…”
Doch wie falsch wir diese Schublade beschrifteten stellte sich erst in den nächsten Tagen heraus.
Nach 3 Tagen haben wir hier eine Menge Freunde gefunden und selbst wenn ein paar Sachen durchaus zutrafen, hatten wir eine tolle Zeit und am Ende haben uns zwei der “Luxusreisenden” ihr Zimmer überlassen, als sie plötzlich abreisen mussten und nicht mit anschauen wollten, wie wir in unserem günstigen Doppelstockbett unter dem Dach gegrillt werden.
Dieses Beispiel hat uns noch einmal vor Augen geführt, nicht sofort zuzumachen.
Ja Schubladen braucht man, aber wir müssen immer bereit sein, noch einmal hineinzuschauen, ob das wirklich alles so da rein gehört. Ich bin zum Beispiel deutscher Mann, mag aber kein Bier und kein Fussball. Mach das mal einem Asiaten klar. Das ist teilweise selbst für Deutsche zu viel “outside the box” und da haben wir über den Rest noch nicht mal geredet.
Hätte ich mich nicht aus lauter Enttäuschung nach der Ankunft draußen ans Wasser gesetzt bis es dunkel wurde, hätte ich vielleicht mein Verhalten justiert, wäre uns vielleicht schon an dem Abend wertvolle unwiederbringbare Zeit geschenkt worden.
Warum erzähle ich das alles?
Weil dir das auf deiner Reise begegnen wird. Die Reise ist eine Reise in deine Wahrnehmung und deine Gefühle. Wenn du ein bisschen selbstreflektieren kannst, wirst du deine Erwartungen immer mehr aufbrechen. Das sind die Dinge, die du mit nachhause nimmst aus denen du lernst.
Umso schlimmer, wenn es kaum Kontakte gibt.

Wo findet man als Paar am meisten Kontakte auf der Weltreise?

Dass man keine Kontakte hat, merkt man sehr spät. Schließlich quatscht man im Alltag ja mit jeder Menge Einheimischer und auch Reisender. Aber es funkt meistens nicht.
Wenn wir überlegen, wo wir Kontakte hatten und wo sich Freundschaften ergeben haben, sind das genau die Orte, die wir aus finanziellen Gründen gemieden haben das waren:

Touren

Es sind die Touren. Die Touren, die wir uns nicht leisten konnten und deshalb stets versucht haben zu umgehen, indem wir die Dinge anders erleben konnten. Wenn aber die Touren so wichtig sind für das seelische Wohl, dann sollten wir diesen Punkt in der Budgetplanung doch nochmal überdenken und wenigstens ab- und zu eine Tour mitmachen.
Gerade wir Deutschen haben eine Abneigung gegen andere Reisende. Keine Ahnung wo die genau herkommt. Da gibt es andere Länder, die vor Freude komplett ausflippen, wenn sie andere Landsleute treffen. Aber auch die Gruppengröße und dieses “gezwungen sein” einer Herde zu folgen mögen wir gar nicht. Da sind wir nicht die einzigen. Fast jeder Reisende spricht über DIE Touristen, als wäre er keiner davon.
Dennoch könnte es also sinnvoll sein hier und da eine kleine, vielleicht passende Tour mitzumachen und sei es nur, um die anderen kennenzulernen. Natürlich muss das nicht immer klappen und auch nicht forciert werden.

Das Doppelzimmer, die Pärchenfalle

Als Paar hast du auf Weltreise einen enormen Vorteil: Du musst eigentlich nie im Dorm schlafen, da der Preis für 2 Personen dort fast immer identisch ist, mit dem für ein eigenes Zimmer.
Aber genau die Dorms sind es, wo die allermeisten Kontakte entstehen.
Wenn dir genau dieser Punkt auf der Reise fehlt, dann hast du nunmal auch nicht die Kontakte, mit denen du dir einen Mietwagen teilst um in Argentinien zu den Pinguinen zu fahren. Du weißt evtl. noch nicht mal, dass es ein cooles Café um die Ecke gibt, weil du ein ziemlich geiles Appartement hast, aber der Austausch fehlt.
Selbst wenn du ein Doppelzimmer IM Hostel hast, in dem es viele Dorms gibt, sind die Kontakte nicht so ausgeprägt, wie wenn du einfach mit jemandem zusammen wohnst.
Deshalb werden wir sicher nicht in einen lauten Dorm ziehen, aber wenn uns klar wird, wo man Kontakte findet, dann kann man auch gezielt dort “herumhängen” und dem Zufall mehr Spielraum geben.

Einer der schönsten Momente. Zusammen mit neuen Freunden, den Sonnenuntergang genießen.
Das schönste auf Reisen, sind gar nicht die Orte, sondern die Menschen. (Bild: Martin Schleicher)

Und am Ende entstanden die guten Kontakte aus Momenten. Das Fahrrad, das umfällt und du fängst es auf, die Person neben dir auf dem Boot, die lächelt vor Glück über den Wal und du sagst einen Satz, der dich verbindet, die gemeinsame Scheiße, in der ihr steckt, wenn der Bus dich einfach auf freie Fläche rauswirft.
Diese Dinge passieren einfach. Wenn du einfach mal lächelst, wenn dir Menschen entgegen kommen, schwitzend am Busbahnhof neben dir sitzen oder mal eine helfende Hand reichst, dann sind das alles Momente aus denen kann ein neuer wertvoller Kontakt entstehen, den du in deinem Leben vermissen würdest, ohne zu wissen, dass ihr so nah aneinander vorbei gelaufen seid.
Nicht alle Menschen wurden zu guten Freunden, aber dann gibt es da diese kleinen aber großartigen Reisenden und Einheimischen, die man trifft: In einem Canyon in Albanien, am Wrack in Griechenland, auf einem Boot in Vietnam, in einem Bus in Thailand, in einem Dorf in Bulgarien, in einer Unterkunft in Bali, in einem Gebüsch in der Türkei, in deinem gemeinsamen Wohnzimmer in Arequipa, an dieser staubigen Grenze in Kambodscha und sogar in einem Facebookforum zum Thema “Angst vorm zurückkehren“. All das sind wertvolle unbezahlbare und bis heute bestehende Begegnungen, die uns glücklich machen, die wir brauchen und die lange über die Reise hinaus halten.

Wer schreibt hier


Ich bin Björn

Ich bin Grafiker, Autor und Lebenskünstler. Ich lebe eigentlich in Hamburg, bin aber eigentlich Nordfriese und lebte in meiner Kindheit an der Nordsee und Sichtweite Dänemarks. Ich schreibe sehr gerne, liebe alles Visuelle, mit meinen Händen zu arbeiten, gerne mit Holz und Licht, natürlich zu reisen und mit anderen zu philosophieren und Pläne auszuhecken. Ausserdem beginnen meine Augen zu leuchten, wenn ich Eseln, frechen Vögeln oder Ottern begegne.

2019 sind Ute und ich auf diese Reise gestartet und aus geplanten Monaten wurden bis jetzt knappe 5 Jahre.
Mit kleinem Budget fiel uns auf, dass neuerdings immer weniger echte Backpacker unterwegs sind und die Infos im Netz eher dem Budget der neuen reichen Rucksackreisenden entsprechen.
Wir versuchen Informationen für euch echte Backpacker zu notieren. Dabei sollen sie nur eine Hilfe sein und niemals vollständig sein, um das eigene Denken und Entdecken nicht einzuschränken
Denn wirklich reisen heißt auch etwas selbst entecken und nicht einfach abzuhaken.



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